Die Dramatik der Empfindungen darstellen

Im Mittelpunkt: der Mensch

Bertolt Brecht Statue
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Hintergrund

Auguste Rodins „Die Bürger von Calais“ inspirierte Fritz Cremer zu seiner Figurengruppe in Buchenwald.

Zwischen 1884 und 1886 schuf Auguste Rodin das Denkmal für die Bürger von Calais. Die lebensgroße Standplastik gedenkt der sechs im 14. Jahrhundert hoch angesehenen Bürger der Stadt an der nordfranzösischen Küste. Diese opferten sich im Jahr 1346, um die Bevölkerung vor der englischen Besatzung zu retten. Rodin stellt die sechs Bürger nicht als Helden dar, sondern als von Qualen gezeichnete Figuren, die – jede für sich – mit ihrem Schicksal hadern. Weltweit gibt es insgesamt 12 Abgüsse dieser Skulpturengruppe.  

Auguste Rodin, Bürger von Calais
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Ein Mahnmal auf Zeit

Cremers Buchenwalddenkmal besteht aus elf 3,20 Meter großen Bronzefiguren. Die Figuren stellen mit Fahne und Gewehren ausgestattete Häftlinge dar. Die Gruppenplastik thematisiert zwei wichtige historische Momente in der Geschichte des Konzentrationslagers: zum einen die Selbstbefreiung der kommunistischen Lagerhäftlinge am 11. April 1945, kurz bevor sich die US-Streitkräfte Buchenwald nähern, und zum anderen den Buchenwaldschwur.

Diesen leisten die Überlebenden am 19. April 1945 in Gedenken an die Opfer. Er besteht aus dem Versprechen, nicht eher zu ruhen, als „(…) bis der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht“. Cremer arbeitet acht Jahre lang an dem monumentalen Denkmal. Seine Figuren – wie etwa der Rufende, der Stürzende, der Zweifler oder der Zyniker – sollen nach eigenem Bekunden „die ganze Dramatik menschlicher Empfindungen unter unmenschlichen Bedingungen“ entfalten.

Womit Fritz Cremer letztlich die kunstpolitischen Vorgaben der Partei konterkariert. Von Cremers Witwe ist überliefert, dass ihr Mann im Einvernehmen mit Bertolt Brecht den Opfern ein Denkmal setzen wollte, das „langsam – durch Rosten – sich auflöse“. Denn eine Skulptur, so Fritz Cremer, könne das Gedenken nicht stellvertretend für die Menschen übernehmen. Der avantgardistische Gedanke, ein Denkmal zu schaffen, das sich selbst auflöst, wurde allerdings nicht umgesetzt. Der sozialistische Staat wollte ein Monument für die Ewigkeit.

Zwischen Freiheitskämpfern und Liebenden

Das künstlerische Werk von Fritz Cremer weist zwei ganz unterschiedliche Themengruppen auf: Zum einen hat er sehr viele öffentliche Denkmäler und Mahnmale geschaffen. Neben der Figurengruppe für das Buchenwalddenkmal zum Beispiel auch das Denkmal für das KZ Mauthausen „O Deutschland, bleiche Mutter“, das Karl-Marx-Denkmal in Frankfurt (Oder), das Bertolt-Brecht-Denkmal in Berlin oder die Skulptur „Aufsteigender“ – den um ihre Freiheit kämpfenden Völkern gewidmet – im Park des UNO-Hauptquartiers in New York. Zum anderen gibt es von Cremer aber auch sinnliche Skulpturen von Liebespaaren sowie zahlreiche weibliche Akte. 

Bertolt Brecht Statue
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Das Karl-Marx-Denkmal am Lennépark, Frankfurt (Oder)
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Fritz Cremer, "O Deutschland, bleiche Mutter"
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