Das Ende der Barbarei

Mit moderner Kunst ein wichtiges Zeichen setzen

Ernst Ludwig Kirchner, Ausstellungsplakat der Galerie Arnold in Dresden, 1910
Gemeinfrei
München, Haus der Deutschen Kunst. – Ausstellungsbesuch Joseph Goebbels, Hartmut Pistauer. Links zwei Gemälde von Emil Nolde "Christus und die Sünderin", "Die klugen und die törichten Jungfrauen", rechts Skulptur "Heiliger Georg" von Gerhard Marcks
© Bundesarchiv Bild 183-H02648

In seiner Eröffnungsrede der ersten Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung nimmt Herbert Volwahsen Bezug auf den Beginn der Wanderausstellung „Entartete Kunst“ aus dem Jahre 1933:

 

„Der heutige Tag hat für uns Dresdner Künstler noch eine besondere Bedeutung, denn wir haben nicht vergessen, dass hier vor 12 Jahren die Nazis die erste Ausstellung ‚Entartete Kunst‘ zeigten, die dann durch ganz Deutschland ging und in der Welt einen Sturm der Entrüstung über diese Kunstbarbarei hervorrief.“

Als „entartete Kunst“ galten im Nationalsozialismus alle Kunstwerke und kulturellen Strömungen, die nicht zur Kunstauffassung und zum Schönheitsideal der Nationalsozialisten passten, etwa Werke des Expressionismus, des Dadaismus, der Neuen Sachlichkeit, des Surrealismus, Kubismus oder Fauvismus. Künstlerinnen und Künstler, deren Werke nicht den nationalsozialistischen Idealen entsprachen oder die Kommunisten oder Juden waren, wurden verfolgt. Die Nationalsozialisten belegten sie mit Berufs- und Malverboten, ließen ihre Kunstwerke aus Museen und öffentlichen Sammlungen entfernen, zwangen die Künstlerinnen und Künstler zur Emigration oder ermordeten sie. 

Zahlreiche Künstler, die heute zur klassischen Moderne zählen, werden von den Nationalsozialisten als „entartet“ bezeichnet, so unter anderem die Mitglieder der Künstlergruppe „Brücke“, dann Ernst Barlach, Willi Baumeister, Max Beckmann, Marc Chagall, Lovis Corinth, Otto Dix, Max Ernst, Lyonel Feininger, Paul Gauguin, George Grosz, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Oskar Kokoschka, Käthe Kollwitz, Wilhelm Lehmbruck, Paula Modersohn-Becker, Piet Mondrian, Pablo Picasso oder Oskar Schlemmer.

Max Beckmann, Die Synagoge in Frankfurt am Main, 1919
© CC BY-SA 4.0 Städel Museum, Frankfurt am Main
Otto Dix, "Frau mit Kind", 1921
Albertinum | Galerie Neue Meister, Gal.-Nr. 2935, © Foto: Albertinum | GNM, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Elke Estel © VG Bild-Kunst, Bonn

„Hottentotten im Frack“

Eine Künstlergemeinschaft, 1926. Gemälde von Ernst Ludwig Kirchner, mit Otto Mueller, Kirchner, Erich Heckel, Schmidt-Rottluff
Gemeinfrei

Die Künstlergruppe „Brücke“ wird 1905 in Dresden gegründet. Die jungen Maler wollen die akademische Malweise hinter sich lassen und der Kunst eine völlig neue Richtung geben. Sie wollen „unmittelbar und unverfälscht“ malen, was sie bewegt. Es geht nicht mehr um die naturgetreue Abbildung der Dinge, sondern darum, das Wesentliche eines Themas künstlerisch zu erfassen: mit flächigen Kompositionen, kräftigen Farben und schnellen Pinselstrichen. Zur „Brücke“ gehören Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff, Fritz Bleyl, Erich Heckel, später dann auch Max Pechstein, Emil Nolde und Otto Mueller.

Ernst Ludwig Kirchner, "Das Soldatenbad", 1915
Gemeinfrei
K.Schmidt-Rottluff, "Dünental mit Baum"
akg images / © Karl Schmidt-Rottluff/ VG Bild-Kunst
Emil Nolde, "Mädchen mit roter Kappe", 1920
bpk / Kupferstichkabinett, SMB / Volker-H. Schneider

Die erste Ausstellung der „Brücke“ in Dresden wird am 24. September 1906 im Mustersaal der Lampenfabrik der Dresdner Kunstwerkstätten Karl Max Seifert eröffnet. Ein von Bleyl gestaltetes Plakat, das einen Frauenakt zeigt, ist von der Polizei im Vorfeld verboten worden.

Ernst Ludwig Kirchner, Ausstellungsplakat der Galerie Arnold in Dresden, 1910
Gemeinfrei

Die Veranstaltung wird kein Erfolg. Es kommen nur wenige Besucher und auch die Kritiken sind gemischt. Das konservative Dresdner Publikum reagiert größtenteils ablehnend und schockiert auf die Werke der Maler. Von ihren Kritikern werden sie als „Hottentotten im Frack“ bezeichnet. Dennoch gelingt es den jungen Malern bis zur Auflösung der „Brücke“ 1913, an die internationale Avantgarde anzuknüpfen. Ihre Malerei prägt bis heute das Bild des deutschen Expressionismus.