Form- und farbgewaltige Werke einer neuen Generation

Zwischen Provokation und Eigensinn

Sigmar Polke, "Manöverschaden", 1986
bpk / Nationalgalerie, SMB / Jörg P. Anders

Der Malerfürst

In den 1980er Jahren inszeniert sich Maler und Bildhauer Markus Lüpertz als „Malerfürst“ mit extravaganter Kleidung und auffälligem Schmuck. Seine großformatigen Arbeiten sind eine expressive Mischung aus figürlicher Malerei und Abstraktion. Die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte ist ein zentrales Thema bei Lüpertz. Auch griechische Mythologie, heidnische Heldensagen und katholische Heiligengeschichten inspirieren ihn.

Kaspar König mit Objekten von Franz Erhard Walther
bpk | Angelika Platen

Kasper König ist ein deutscher Kunstprofessor und Kurator. König hat zahlreiche wichtige Großausstellungen kuratiert und ist unter anderem auch für die Skulptur-Projekte in Münster verantwortlich, wo seit 1977 alle zehn Jahre Skulpturen und Plastiken im öffentlichen Raum gezeigt werden. 1988 wird er Professor an der Städelschule in Frankfurt am Main, die er bereits ein Jahr später als Rektor leitet. Von 2000 bis 2012 ist er Direktor des Museums Ludwig in Köln. Der Kunstbuchhändler Walther König ist Kasper Königs Bruder.

Mit Asche, Blei und Sand

Politik, Religion, Mystik, Alchemie und Kosmologie: Der aus Donaueschingen stammende Maler und Bildhauer Anselm Kiefer setzt sich in seinem Werk mit existentiellen Fragestellungen auseinander. Bekannt wird er mit Arbeiten, in denen er die Tabus der deutschen Nachkriegszeit offensiv angeht und Themen wie emotionale Zerrissenheit, kulturelle Identität und historische Schuld darstellt.

"The Women of the Revolution (Les Femmes de la Révolution)", 1992/2013 (detail)
Foto: Arthur Evans, Courtesy Hall Art Foundation, © Anselm Kiefer

Für seine oft monumentalen Skulpturen und Gemälde nutzt er Werkstoffe wie Asche, Blei, Sand und Holz. 1984 entsteht seine Installation „Frauen der Revolution“. Sie besteht aus 13 Bleibetten. Auf einigen Betten liegen vertrocknete Blumen. Über den Bettgestellen hängen Schilder mit den Namen von Frauen der Französischen Revolution an der Wand.

Höhere Wesen befahlen

Auch der 2010 verstorbene Sigmar Polke ist ein Schüler von K. O. Götz. Der gelernte Glasmaler bespielt 1986 den deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig und erhält den Goldenen Löwen für seinen Beitrag – ein Wandgemälde, das in Abhängigkeit von der Luftfeuchtigkeit seine Farbe wechselt. Erste große Erfolge verzeichnet er vor allem mit seinen Raster- und Dekostoffbildern. Statt Leinwand verwendet er mal synthetische Flauschdecken, mal Schlafanzugstoff oder auch Plastikfolien. Die Motive: Themen aus der Werbung, dem Kino oder der Welt der Comics.

Sigmar Polke, Ohne Titel
akg-images / © Sigmar Polke / VG Bild-Kunst

Polke experimentiert mit Silbernitrat, Kunstharz, Schneckensaft, Eisenglimmer, Kopiergeräten und Computertechniken. Auch die Fotografie spielt immer wieder eine zentrale Rolle. Die Grenzen zwischen Kunst und Alltäglichem sind bei Polke oft fließend wie etwa, wenn er Telefonkritzeleien in eine Arbeit integriert und mit Wasserfarben und Gouache übermalt. Eines seiner bekanntesten Bilder stammt von 1969 und heißt – gleichermaßen ironisch und selbstironisch – „Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen!“

Sigmar Polke, "Manöverschaden", 1986
bpk / Nationalgalerie, SMB / Jörg P. Anders

Café Deutschland

Jörg Immendorff ist in den 1970er Jahren mit seinem Zyklus „Café Deutschland“ bekannt geworden – einer Bilderreihe, die sich mit dem Kalten Krieg und der Situation des geteilten Deutschland zwischen zwei Großmächten auseinandersetzt. Immendorff fordert – genau wie sein Lehrer an der Düsseldorfer Kunstakademie Joseph Beuys –, dass Kunst sich sozial und politisch engagieren soll. Angesichts der Wiedervereinigung 1989 bringt dieses Werk ihm nachträglich den Ruf eines Visionärs ein.

Jörg Immendorff, "Café Deutschland XI/ Parlament 2", 1981
bpk / Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Leihgabe der Michael und Eleonore Stoffel Stiftung, Köln, © Estate of Jörg Immendorff

18. Oktober 1977

Ende der 1980er Jahre entsteht Gerhard Richters fünfzehnteiliger Zyklus von Fotobildern „18. Oktober 1977“, der sich auf den Selbstmord der Terroristen Andreas Baader und Gudrun Ensslin im Gefängnis bezieht. Ihr Tod markiert das Ende der Roten-Armee-Fraktion (RAF). Die RAF hat während der 1970er Jahre Westdeutschland mit Anschlägen und Gewalttaten erschüttert. Die ungewöhnlichen Umstände des Todes von Baader und Ensslin geben immer wieder Anlass zu der Spekulation, sie seien im Staatsauftrag getötet worden. 

Gerhard Richter, "Jugendbildnis", 1988
© Gerhard Richter 2022

Richters von Unschärfe gezeichnete Schwarz-Weiß-Bilder zeigen die Schlüsselmomente der Ereignisse, die in Zusammenhang mit dem Tod der RAF-Mitglieder stehen. Vorlage für die Motive sind unter anderem Polizei- und Pressefotos. Die Ausstellung der Bilderreihe löst eine kontroverse Diskussion aus. Richter glorifiziere damit mordende Terroristen, befinden die einen. Er stoße vielmehr eine wichtige Debatte darüber an, wie aus Ideologien Terrorismus entsteht und wie Staat, Medien und Öffentlichkeit damit umgehen, sagen die anderen. Die fünfzehn Arbeiten hängen inzwischen im Museum of Modern Art in New York.