WEST

Blick zurück nach vorn

Westkunst: Die Fortführung der Moderne mit anderen Mitteln

Die westdeutsche Vorabendserie „Lindenstraße“ geht erstmals auf Sendung. Apple bringt den Macintosh 128k auf den Markt – benannt nach der Größe des Arbeitsspeichers. Die 1980er Jahre sind auch das Jahrzehnt der Yuppies – der young urban professionals. 

Yuppies leben einen von Konsum und materiellem Wohlstand geprägten Lebensstil. Ihre Helden: Börsenmakler, die rund um die Uhr Geld machen, das sie in teure Autos und Uhren investieren. Coca-Cola wirbt mit dem Song „You can’t beat the feeling“ und die Neue Deutsche Welle gibt Gas und will Spaß.

Der Kurator Kasper König organisiert in den 1980er Jahren zwei wichtige Großausstellungen, die für Jahrzehnte den Blick auf die Gegenwartskunst in Westdeutschland prägen werden. „Westkunst – Zeitgenössische Kunst seit 1939“ in Köln und die Schau „Von hier aus – Zwei Monate neue deutsche Kunst in Düsseldorf“, die Düsseldorf als Kunstmetropole neben Köln etablieren. 

Ausstellung "Westkunst. Zeitgenössische Kunst seit 1939", 1981
Rheinisches Bildarchiv Köln

„Von hier aus – Zwei Monate neue deutsche Kunst in Düsseldorf“ widmet sich ganz der deutschen Gegenwartskunst. Gezeigt werden Plastiken, Gemälde, grafische Werke, Objektkunst, Installationen und Videokunst von fast 70 Künstlerinnen und Künstlern. Über dem Eingang leuchtet der Name der Ausstellung als grüner Neonschriftzug in der Handschrift von Joseph Beuys.

Ausstellungsansichten "Von hier aus", 1984
Fotos: KUNSTFORUM International

Ausstellungsansichten "Von hier aus", 1984
Fotos: KUNSTFORUM International

Joseph Beuys in seinem Ausstellungsraum in Düsseldorf, 1984
Stadtarchiv Düsseldorf, Foto: Winfried Göllner
Gerhard Richter, "Zwei Kerzen", 1982
© Gerhard Richter 2022 (0001)

Auch Werke von Gerhard Richter werden hier gezeigt. Heute gehört er zu den weltweit erfolgreichsten Künstlerinnen und Künstlern. In den 1980er Jahren entsteht unter anderem eine Werkreihe, bei der eine Kerze zentrales Motiv ist. Obwohl diese Arbeiten, als sie erstmals ausgestellt werden, kaum Beachtung finden, zählen sie heute zu Richters bekanntesten. Ein Motiv aus dieser Reihe erzielt 2008 bei einer Auktion 10,57 Millionen Euro.

Auf der Ausstellung „Von hier aus“ in Düsseldorf zeigt Richter zur Überraschung einiger Kunstkritiker allerdings bunte, abstrakte Bilder sowie einige Landschaftsmotive.
Gerhard Richter, "Juni nø 527 Traduction : Juin nø 527"
bpk / CNAC-MNAM / Philippe Migeat

Mit Marina Abramovic, Hanne Darboven, Eva Hesse, Katharina Fritsch oder Rebecca Horn sind in der Düsseldorfer Schau auch eine Reihe wichtiger Künstlerinnen vertreten. Nicht dabei ist Rosemarie Trockel, wenngleich ihre Arbeiten in den 1980er Jahren bereits große Beachtung finden. 

Immer wieder erklärt Trockel Tätigkeiten, Materialien und Gegenstände, die in der Gesellschaft mit Weiblichkeit assoziiert werden, zur Kunst und fordert konventionelle Sichtweisen heraus. Bekannt wird sie mit ihren Strickbildern. Sie nutzt und ironisiert gleichzeitig die vielleicht weiblichste aller handwerklichen Techniken, um damit Muster aus Hammer und Sichel, dem Wollsiegel oder auch dem Playboy-Häschen zu erzeugen.

Rosemarie Trockel, "Ohne Titel", 1986
bpk | Hamburger Kunsthalle | Elke Walford
Rosemarie Trockel, "Ohne Titel (Rorschachtest), Wollbild", 1992
bpk / Bayerische Staatsgemäldesammlungen

2021 befindet sich Rosemarie Trockel im Capital Kunstkompass hinter Gerhard Richter und Georg Baselitz unter den zehn wichtigsten Künstlerinnen und Künstlern der Welt. Der Kunstkompass misst seit 1970 möglichst objektiv Rang und Ruhm zeitgenössischer Künstler weltweit.

Der 1958 aus Ostberlin in den Westen emigrierte Maler Georg Baselitz hat zuvor vor allem mit Provokationen auf sich aufmerksam gemacht – wie etwa mit dem Gemälde „Die große Nacht im Eimer“, das einen Jungen beim Masturbieren zeigt. Seit Mitte der 1970er Jahre dreht er seine Bilder auf den Kopf und wird damit weltberühmt.

Georg Baselitz, "2 Elke", 1976
bpk / Albright-Knox Art Gallery / Art Resource, NY

Er will auf diese Weise Sehgewohnheiten aufbrechen und den Blick der Betrachterinnen und Betrachter schärfen. Scheinbar vertraute Motive wie Adler oder Apfelbaum, aber immer wieder auch Porträts erfahren durch die Drehung um 180 Grad eine gewisse Abstraktion, die erst einmal irritiert und zum genaueren Hinsehen auffordert.